Lassen Sie uns übers Gendern reden: über geschlechtersensible Sprache in Ihren Website- und Werbetexten. Ob das Gendern angebracht oder überflüssig ist, darüber gibt’s Debatten ohne Ende. Und vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die an „sprachlichen Unsinn“ oder gar an „Gender-Müll“ denken.
Hier lauern jede Menge Irrtümer und Missverständnisse. Und ich finde, es ist Zeit, mit einigen Denkfehlern aufzuräumen. Falls Sie das Gendern meiden wie der Teufel das Weihwasser, habe ich eine Bitte: Lesen Sie diesen Beitrag. Und zwar ohne Scheuklappen und vorgefasste Meinung. Ich verspreche, dass ich Ihnen gute Argumente und neue Perspektiven mitgebe. Im Idealfall werden Sie aufgeschlossener an gendersensible Sprache herangehen.
Meinungen und Missverständnisse rund ums Gendern
Sprache prägt unser Denken. Es ist nun mal so, dass viele Menschen an Männer denken, wenn von „Unternehmern“, „Mitarbeitern“ oder „Kunden“ die Rede ist – obwohl Frauen (und alle anderen Geschlechtsidentitäten) mitgemeint sind. Um Frauen endlich sichtbar zu machen, treten Befürworter des Genderns konsequent und bisweilen sehr strikt für den Gender-Stern ein. Gegner finden geschlechtergerechte Sprache einfach nur nervtötend: Gendern, so ihr Vorwurf, führe zu völlig unleserlichen Texten.
Ich persönlich glaube, dass radikale Pro-Gender-Argumente „Beißreflexe“ provozieren: dass sich etliche Menschen gegängelt fühlen und von Grund auf ablehnend reagieren. Doch das müsste nicht sein. Unter Gender-Gegnern (und vielleicht bei Ihnen?) halten sich einige Missverständnisse:
1. Missverständnis: Gendern ist ein Muss
Kein Mensch wird gezwungen. Geschlechtergerechte Sprache ist kein Muss: Es gibt keine verbindlichen Verordnungen und keinerlei Diktat. Nur für Ihr Unternehmen gilt: Wenn Sie sich fürs Gendern entscheiden, sollten alle Mitarbeiter mitziehen – weil Sie eine stimmige Corporate Language brauchen. Doch sonst? „Sprache darf atmen! Deshalb kommt sie gut damit klar, wenn ein Teil der Bevölkerung ‚gendert‘ und ein anderer eben nicht“, wie SchnellStem auf Twitter schreibt.
2. Missverständnis: Was im Duden steht, ist Gesetz!
Der Gender-Stern steht inzwischen im Duden. Doch Duden-Einträge sind kein Gesetz.* Wer möchte, kann den Gender-Stern nutzen – doch es besteht absolut kein Zwang. Auch in den beiden Büchern Richtig gendern und Handbuch geschlechtergerechte Sprache stellt der Duden lediglich Empfehlungen vor. Wenn Sie gendern wollen, erhalten Sie einen Leitfaden für gendersensible Sprache: Schreibtipps, Formulierungshilfen und einen Überblick über die unterschiedlichen Möglichkeiten des Genderns.
* Geltende Regeln werden vom Rat für deutsche Rechtschreibung festgelegt. Der Duden nimmt diese Regeln auf – und dokumentiert unseren Sprachgebrauch: die Alltags- und Umgangssprache.
3. Missverständnis: Gendern bedeutet, den Gender-Stern zu nutzen
Gendern bedeutet nicht, dass Sie auf Teufel komm raus Gender-Sternchen verwenden müssen: „Leser*innen“, „Kund*innen“, „Arbeitnehmer*innen“ und so fort. Oder Alternativen wie „NutzerInnen“, „Käufer_innen“ und „Auftraggeber/innen“. Und neutrale Formulierungen wie „Mitarbeitende“ oder „Studierende“. Es gibt leserfreundlichere Methoden, um über Männer und Frauen zu schreiben.*
* Dennoch: Wenn Sie zum Gender-Stern greifen, entscheiden Sie sich für einen klaren Vorteil. Mit Hinweisen auf „Kund*innen“, „Käufer*innen“ oder „Klient*innen“ sprechen Sie nicht nur Männer und Frauen an. Sondern auch Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen – und die allesamt potenzielle Kund*innen sind.
4. Missverständnis: Es muss ständig und stets konsequent gegendert werden
Ich sagte es bereits: Gender-Sterne sind kein Muss. Und ich habe darauf hingewiesen, dass Sie auf eine einheitliche Corporate Language setzen sollten: Wenn Sie sich für „Kund*innen“, „KäuferInnen“ oder „Mitarbeiter_innen“ entscheiden, sollten Sie den Stern, das Binnen-I oder den Unterstrich immer verwenden.
Doch es gibt Alternativen (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Und Textstellen, an denen solche Alternativen nicht passen? Wenn Sie weder „Kund*innen“ noch „KäuferInnen“ und „Mitarbeiter_innen“ schreiben wollen, dann lassen Sie männliche Pronomen und Personenbezeichnungen stehen: Das ist kein Beinbruch.
Gendersensible Sprache: Vorteile und Alternativen für Ihre Werbetexte
Ich hatte Sie gebeten, ohne Scheuklappen an gendersensible Sprache heranzugehen. Versuchen Sie, bewusster mit Wort und Schrift umzugehen. Unsere Sprache ist nun mal sehr männerzentriert: Setzen Sie an passenden Stellen neutrale Formulierungen ein. Und betrachten Sie Ihre Website- und Werbetexte nicht unter dem Schlagwort „Gendern“.
Handeln Sie im Sinne Ihres Unternehmens: indem Sie Frauen (zumindest zum Teil) benennen, mögliche Kundinnen ansprechen und bei Interessentinnen punkten, die Wert auf geschlechtergerechte(re) Sprache legen. Dann erreichen Sie weit mehr Menschen. Damit Ihre Botschaften ankommen, können Sie diese Möglichkeiten nutzen:
1. Neutrale Begriffe
Sie finden Partizip-Formen wie „Studierende“ oder „Mitarbeitende“ schrecklich? Es gibt jede Menge neutrale Begriffe, die niemandem wehtun und mit denen Ihre Texte lesenswert bleiben. Seien Sie kreativ: mit
- „Team“, „Gäste“ oder „Publikum“ statt „Mitarbeiter“, „Zuschauer“ oder „Zuhörer“,
- „Einstiegskurs“ oder „Grundkurs“ statt „Anfängerkurs“,
- „Redepult“, „Forschungsteam“ und „Ausstellungsliste“ statt „Rednerpult“, „Forscherteam“ und „Ausstellerliste“ oder
- „Zebrastreifen“, „Gehweg“ und „Fußweg“ statt „Fußgängerüberweg“ oder „Bürgersteig“.
2. Adjektive oder Verben
Gendersensible Sprache funktioniert auch mit Adjektiven und Verben. Allerdings werden Sie etwas längere Sätze schreiben: „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ ist prägnanter als „Holen Sie ärztlichen Rat ein oder fragen Sie in Ihrer Apotheke nach“. Aber manchmal passen neutrale Alternativen sehr gut:
- „Es sprechen: die Direktorin und der Verwaltungschef“ statt „Referenten: (…)“,
- „herausgegeben von Erika und Max Mustermann“ statt „Herausgeber: Erika und Max Mustermann“ oder
- „barrierefreier Zugang“ statt „Zugang für Rollstuhlfahrer“.
3. Paarformen (I)
„Unternehmerinnen und Unternehmer, Direktorinnen und Direktoren, Geschäftsinhaberinnen und -inhaber, Freiberuflerinnen und Freiberufler“: Wenn Sie Frauen und Männer nennen, setzen Sie Ihren Lesern überlange Texte mit wenigen Informationen vor. Doch Paarformen stören nicht überall. Zum Beispiel in (unpersönlichen) Anreden. Oder auf Vordrucken und Formularen:
- „Liebe Kundin, lieber Kunde“ oder „Liebe Besucherinnen und Besucher“,
- „Einverständniserklärung: Unterschrift Patientin/Patient“ oder „Anmeldung: Name Klientin/Klient“.
4. Paarformen (II)
Wenn Sie in Fließtexten ständig Personengruppen nennen und sich allzu lange Sätze sparen wollen, sind Paarformen keine gute Wahl. Wenn Sie viele Gruppen erwähnen, dann verweisen Sie auf Frauen und Männer. „Unternehmerinnen und Direktoren, Freiberufler und Geschäftsinhaberinnen“: Niemand wird glauben, dass Sie nur Frauen oder bloß Männer meinen. Sondern dass es um beide Geschlechter geht.
5. Einzelpersonen: Männliche oder weibliche Endungen
Falls Sie über einzelne Personen schreiben: Nutzen Sie die richtigen Endungen. Das gilt auch für Institutionen, Organisationen oder feststehende Begriffe:
- „Ursula Engert, Bürgermeisterin der Gemeinde Eisingen“ statt „Ursula Engert, Bürgermeister von Eisingen“,
- „Die Deutsche Bahn ist Kooperationspartnerin des öffentlichen Personennahverkehrs“ statt „Die Deutsche Bahn ist Kooperationspartner (…)“ oder
- „Die Universität ist die größte Arbeitgeberin der Stadt“ statt „Die Universität ist der größte Arbeitgeber“.
6. Bilder
Gendersensibilität funktioniert nicht nur über Sprache, sondern auch über Bilder. Angenommen, Sie schreiben über Projektmanagement: Zeigen Ihre Bilder Männer als Manager? Und Frauen als Sekretärinnen oder Assistentinnen? Sie können Bilder jenseits solcher Klischees wählen. Sie können zeigen, dass es (auch) um Projektmanagerinnen gehen kann: dass der Chef nicht zwangsläufig ein Mann ist – aber vielleicht der Assistent.
Extratipp zum Schluss
Diskussionen um gendersensible Sprache gleichen einem Minenfeld. Lassen Sie diese Debatten hinter sich. Schreiben Sie so gendergerecht wie möglich und so prägnant wie nötig. Sie können auch ohne Gender-Stern und ohne unleserliche Formulierungen Vielfalt in Ihre Werbetexte einbringen. Ihre Leserinnen – allesamt zahlende Kundinnen – werden es Ihnen danken.
Ich habe Ihren Rat befolgt, die Seite ohne Scheuklappen zu durchstöbern. Die Missverständnisse sind auf die typische deutsche Obrigkeitshörigkeit und Staatsgläubigkeit zurückzuführen. Da wird in der Diskussion schnell mal was zum “Gesetz” erhoben. Ja, es ist richtig, die Frauen und Männer gleichberechtigt zu benennen. Das ist aber nichts Neues, das “Sehr geehrte Damen und Herren …” ist doch eh Usus. Ein paar neutrale Formulierungen im Text noch dazu – und fertig. So halte ich es schon immer und werde dies auch unverändert so tun.
Hallo Herr Puhlmann,
mit Paarformen (und „Sehr geehrte Damen und Herren“) und neutralen Formulierungen sind Sie auf einem sehr guten Weg.
Allerdings finde ich doch häufiger Texte, in denen die gleichberechtigte Nennung von Männern und Frauen auf der Strecke bleibt. So heißt es zum Beispiel einfach „Liebe Besucher“ oder „Liebe Patienten“ statt „Liebe Patientinnen und Patienten“: An solchen Stellen wären Paarformen absolut kein Problem und hier würde ich mir tatsächlich größere Sensibilität der Schreibenden wünschen.
Aber wie in meinem Beitrag erwähnt: Man muss nicht auf Biegen und Brechen gendern und auch nicht ausnahmslos in jedem Fall neutrale Formulierungen verwenden.
In diesem Sinne viele Grüße
Sandra Meinzenbach
Danke für die tollen Tipps! Denn mit dem Sternchen tue ich mich schwer, andererseits möchte ich gerne auf eine Sprache achten, die Frauen nicht einfach außen vor lässt.
Das Gendern notwendig ist, davon bin ich mittlerweile überzeugt.
Hallo Susanne,
ich selbst konnte mich auch noch nicht für die Schreibung mit Gender-Stern entschließen – und bei meinem Job als Texterin und Lektorin kommt es immer auf die Wünsche meiner Kunden an: ob sie sich für das Gendern entscheiden oder dagegen. Allerdings spricht nichts dagegen, Texte so zu gestalten, dass an passenden Stellen neutrale Formulierungen auftauchen oder Frauen ausdrücklich einbezogen werden: Dagegen haben selbst Gender-Gegner nichts einzuwenden.
Ich finde: Man sollte „Gendern“ einfach nicht nur auf den Gender-Stern beziehen, sondern auch die vielen anderen Möglichkeiten einbeziehen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Schreiben – und wer weiß? Vielleicht kommt bei Ihnen und bei mir irgendwann die Zeit, in der wir uns ganz bewusst für den Gender-Stern entscheiden.
Viele Grüße
Sandra Meinzenbach
Die Vorschläge gefallen mir sehr gut, sie sind freundlich und abwägend dargestellt und für die Praxis tauglich. Danke dafür!
(Nur eine kleine Spitzfindigkeit: In Ihrem eigenen Porträt ‘Über mich’ und anderen Teilen Ihrer Webseite nutzen Sie selbst auch noch durchgehend das generische Maskulinum: “Freiberufler, Kunden, Leser” :-))
Guten Tag, Herr Teitinger,
danke für Ihren Kommentar.
Was (unter anderem) meine „Über mich“-Seite betrifft: Da steht schon seit Längerem eine Überarbeitung an, weil sie inhaltlich doch etwas zu wünschen übrig lässt. Dann werde ich auch das generische Maskulinum abschwächen: Jetzt wird es tatsächlich langsam Zeit für eine neue Fassung. Schauen Sie einfach in ein paar Tagen noch mal drauf.
Vorerst viele Grüße
Sandra Meinzenbach