Kommunikation von Mensch zu Mensch: Leichte Sprache für Ihr Unternehmen. Ein Interview mit Anne Leichtfuß

Leichte Sprache für Unternehmen: Motiv Pfeil und Beine eines Mannes auf Asphalt

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Komplizierte Texte schrecken ab. Wer zu verschachtelten Sätzen, Fachwörtern oder sperrigen Formulierungen greift, verliert Leser (und potenzielle Kunden). Texte für die firmeneigene Website, für Flyer oder Broschüren sollten einfach und verständlich geschrieben sein. Und etlichen Menschen hilft eine spezielle Ausdrucksweise: Texte in Leichter Sprache sorgen dafür, dass alle Informationen verstanden werden. Was es mit Leichter Sprache auf sich hat und warum Sie über „leichte“ Varianten Ihrer Firmentexte nachdenken sollten – das erfahren Sie im Interview mit Anne Leichtfuß, Übersetzerin und Dolmetscherin für Leichte Sprache aus Bonn.

 

Was versteht man unter Leichter Sprache?

Die Leichte Sprache ist eine vereinfachte, aber trotzdem korrekte Form der deutschen Sprache. Sie ist auf die Initiative von Menschen mit Lernschwierigkeiten hin entstanden. Sie haben sie eingefordert, da sonst viele wichtige Informationen für sie nicht entschlüsselbar sind und so an ihnen vorbeigehen. Nur, wer Dinge versteht, kann auch mitreden und entscheiden.

Bestehen Unterschiede zwischen Leichter Sprache und sogenannter Einfacher Sprache?

Ja, Leichte Sprache und Einfache Sprache unterscheiden sich, auch wenn es Überschneidungen gibt. Leichte Sprache richtet sich vor allem an Menschen mit Lernschwierigkeiten. Sie entspricht etwa dem Sprachniveau A1. Das bedeutet: Die Leser und Leserinnen verstehen einfache Sätze. Es werden bekannte und gleichbleibende Begriffe verwendet.

Einfache Sprache richtet sich vor allem an Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und entspricht etwa dem Sprachniveau A2/B1. Bei diesem Sprachniveau werden Informationen in Standardsprache in der Regel gut verstanden, wenn es um vertraute Themen geht. Die Sätze sind etwas länger als bei der Leichten Sprache.

Je genauer man weiß, wer die Zielgruppe eines Textes ist, desto exakter kann man arbeiten.

Wer profitiert von Leichter Sprache?

Die größte Zielgruppe sind Menschen mit Lernschwierigkeiten. Aber wie bei vielen Aspekten der Barrierefreiheit nutzt die Leichte Sprache noch viel mehr Menschen: etwa Menschen mit geringen Deutschkenntnissen, funktionalen Analphabeten oder Menschen mit Demenz.
Aber auch ich freue mich an vielen Stellen über die Leichte Sprache, etwa in Broschüren vom Amt oder bei Bedienungsanleitungen. Also: Wenn man sich mit einem Thema nicht auskennt, nutzen viele Menschen die Informationen in Leichter Sprache – egal, ob sie klassischerweise zur Zielgruppe gehören oder nicht.

Worauf kommt es beim Schreiben in Leichter Sprache an? Worin unterscheiden sich „leichte“ und „normale“ Formulierungen?

Ein wichtiger Unterschied ist: Die Sätze sind kürzer. Ich mache keine langen, verschachtelten Sätze, sondern jeder Satz enthält in der Regel nur eine Information. Außerdem verwende ich weniger Fremdwörter und Fachbegriffe. Und die, die ich verwende, erkläre ich. Der Text gibt also Hilfestellung dabei, etwas in einen Kontext zu setzen oder die Zusammenhänge zu verstehen.

Und, das finde ich sehr sympathisch: Man kann in der Leichten Sprache nichts zwischen den Zeilen mitschwingen lassen. Alles, was ich sagen will, muss ich klar und deutlich aussprechen. Das gefällt mir gut, verändert aber manche Texte ungemein.

Würde es ausreichen, einen Text selbst zu formulieren und auf Fachwörter oder kompliziert gebaute Sätze zu verzichten? Oder sind Texte in Leichter Sprache bei spezialisierten Übersetzerinnen und Übersetzern am besten aufgehoben?

Ich finde: Beides ist möglich. Wenn eine Institution sich Gedanken macht, die eigenen Inhalte in eine leichte, verständliche Form zu bringen, finde ich das gut. Und in manchen Bereichen hat man selbst, je nach Thema, ja das größte Fachwissen zu den Inhalten.

Was ich aber in beiden Fällen unverzichtbar finde (egal, ob ich selbst übersetze oder einen Profi beauftrage), ist das Prüfen der Texte durch Personen aus der Zielgruppe. Auch nach vielen Jahren Arbeit in diesem Bereich ist es so, dass nach wie vor kein einziger Text ohne Veränderungen meine Prüfgruppe verlässt. Ist der Text wirklich verständlich für die Menschen, für die er gedacht ist? Das wird in meiner Arbeit immer durch mindestens zwei Prüferinnen oder Prüfer gecheckt.

Wie sind Sie Dolmetscherin für Leichte Sprache geworden?

Zuerst habe ich mich im Rahmen meines Studiums damit beschäftigt. Ich habe an der Fachhochschule Köln Online-Redakteurin studiert, und da waren Aspekte der Barrierefreiheit Teil des Curriculums. So bin ich zum ersten Mal über die Leichte Sprache gestolpert und ich fand sie sofort spannend.

Nach dem Studium habe ich verschiedene Ausbildungen für die schriftliche Leichte Sprache gemacht. Aber für die gesprochene Leichte Sprache oder fürs Dolmetschen gab es zu der Zeit noch kein Angebot. Das kam vor allem durch die Praxis. Ich arbeite mit vielen Kolleginnen und Kollegen mit Down-Syndrom. Das hat mir geholfen, die Regeln der geschriebenen Leichten Sprache auch gesprochen sinnvoll anzuwenden. Dann habe ich mich mit Techniken des simultanen Dolmetschens beschäftigt und viel geübt, um dann auf Anregung eines Auftraggebers einen ersten Versuch zu wagen, simultan zu dolmetschen. Und neben den Kenntnissen, die ich in den Ausbildungen und Schulungen erworben habe, sind Übung und eine gute Vorbereitung wichtig für meinen Job.

Wer die Websites von Behörden, Parteien oder Großkonzernen aufruft, kann sich diese Seiten (meistens) in Leichter Sprache anzeigen lassen. Kleine Firmen schrecken möglicherweise vor dem Aufwand und den Kosten zurück. Wem empfehlen Sie dennoch Texte in Leichter Sprache?

Ich finde, es gibt noch viel zu wenig Texte in Leichter Sprache. Natürlich ist es toll, wenn die Briefe vom Amt für alle Menschen verständlich sind. Aber bisher gibt es fast nur Sachtexte in Leichter Sprache – nichts, was man zum Vergnügen bei einer Tasse Kaffee liest. Das fehlt mir noch!

Und was ich klar sagen kann: Man unterschätzt, wie groß die Zielgruppe ist. Klar denkt man erst mal an Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geringen Deutschkenntnissen. Aber wenn ich an Wandtexte in Museen denke oder an Bedienungsanleitungen – wenn die besser verständlich wären, hätten alle etwas davon: egal, ob sie zur definierten Zielgruppe der Leichten Sprache gehören oder nicht. Daher würde ich tendenziell allen Firmen und Organisationen die Leichte Sprache empfehlen. Sie führt dazu, dass mehr und unterschiedliche Menschen eine Information verstehen oder ein Produkt nutzen können. So haben alle etwas davon.

 

Porträt Anne Leichtfuß, Übersetzerin und Dolmetscherin für Leichte Sprache

Foto: Martin Langhorst

Anne Leichtfuß absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Buchhändlerin und dann ein Studium zur Online-Redakteurin an der Fachhochschule Köln. Sie arbeitet als Redaktionsassistentin beim Bonner Magazin „Ohrenkuss“ und ist seit 2013 in Bonn als Übersetzerin und Dolmetscherin für Leichte Sprache tätig (Details erfahren Sie auf ihrer Website Leichte Sprache simultan). Anne Leichtfuß ist Mitbegründerin des Forschungsprojekts TOUCHDOWN 21, das mit und über Menschen mit Down-Syndrom arbeitet – und hat ein musikalisches Hobby: Ukulele spielen.

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