Textdiebstahl ist heute (leider) keine Seltenheit mehr. Wer bloggt und fundierte Texte auf seine Website stellt, ist nicht vor Urheberrechtsverletzungen geschützt. Was Sie gegen den Diebstahl Ihres geistigen Eigentums tun können, erfahren Sie im Interview mit Rechtsanwältin Susanne Sprotte.
Wann liegt eine Urheberrechtsverletzung vor? Reicht es aus, wenn einzelne Sätze (oder Wortgruppen) übernommen wurden? Oder muss es sich um längere Textabschnitte handeln?
Für die Unterscheidung wird auf die sogenannte „Schöpfungshöhe“ (auch Gestaltungshöhe) abgestellt. Das bedeutet, das Werk (ein Bild oder ein Text) muss eine gewisse Individualität aufweisen. Bei Schriftwerken ist die Schutzgrenze eher niedrig anzusetzen. Dennoch muss eine individuelle geistige Schöpfung erkennbar sein. Das bedeutet, dass etwas nur dann urheberrechtlichen Schutz genießen kann, wenn es besonders originell, einfallsreich und individuell ist. Daher werden sehr kurze oder triviale Texte, einzelne Sätze, auch Tweets, in der Regel die erforderliche Schöpfungshöhe nicht erreichen. Auch Werbeslogans genießen nur in Ausnahmefällen Urheberrechtsschutz, jedoch kann hier eine eingetragene Marke vorliegen (Beispiel: „Vorsprung durch Technik“).
Die Beurteilung, ob ein Textabschnitt die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht, obliegt immer dem Einzelfall. Ein Beispiel: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Beschluss vom 4. August 1986, Aktenzeichen 6 W 123/86, den Urheberrechtsschutz für den Slogan „Für das aufregendste Ereignis des Jahres“ (anlässlich der Fußball-WM 1986) abgelehnt, da dieser Slogan keinen originellen oder selbstständigen Gedanken aufweist.
Angenommen, es handelt sich um eine eingetragene Marke und ein Slogan (oder ein Produktname) genießt entsprechenden Schutz: Gilt für Verletzungen von Markenrechten das Gleiche wie für Urheberrechtsverletzungen?
Es handelt sich hier um unterschiedliche Schutzgüter, da eine Marke der Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen dient und vor Verwechslungen schützen soll. Jedoch sind die Rechte eines Urhebers im Falle der Urheberrechtsverletzung mit denen des Markeninhabers vergleichbar.
Wenn eigene Texte kopiert und auf anderen Websites, in Broschüren oder Zeitschriften veröffentlicht werden: Welche Ansprüche kann der Urheber durchsetzen?
Der Urheber hat zunächst einen Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz. Er kann auch die Beseitigung eventueller unzulässig angefertigter Kopien seiner Texte verlangen. Zudem sind die unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke, das unzulässige Anbringen der Urheberbezeichnung (beispielsweise auf gefälschten Gemälden) sowie unerlaubte Eingriffe in verwandte Schutzrechte strafbar gemäß §§ 106ff des Urheberrechtsgesetzes.
Was sollte der Urheber als erstes tun? Muss er beispielsweise nachweisen, dass der betreffende Text zuerst auf seiner Website oder auf seinem Blog veröffentlicht wurde?
Der Urheber soll den Urheberrechtsverletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Dafür sollte eine angemessene Frist gesetzt werden. Da es sich hier nur um die Abgabe einer Erklärung handelt, kann diese Frist auch recht kurz sein (drei bis sieben Werktage). Bei erfolglosem Ablauf dieser Frist oder im Fall der Weigerung des Urheberrechtsverletzers kann der Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend gemacht werden.
Ein Nachweis der eigenen Urheberschaft ist zunächst nicht erforderlich, erst wenn diese bestritten wird. Es empfiehlt sich aber, spätestens beim Beschreiten des Gerichtsweges schon einmal sämtliche relevanten Tatsachen vorzutragen.
Bei Urheberrechtsverletzungen fallen immer die Schlagworte Abmahnung, Unterlassung und Schadensersatz. Kann man selbst abmahnen? Und wann sollte man eine Anwältin oder einen Anwalt einschalten?
Für die gerade beschriebene außergerichtliche Abmahnung ist keine anwaltliche Vertretung notwendig. Sollte sich die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche als notwendig erweisen, wird ab 5.000 Euro Streitwert die Zuständigkeit des Landgerichts und somit die Anwaltspflicht gegeben sein. Der Streitwert für einen Unterlassungsanspruch wird nach Ermessen des Gerichts je nach den Umständen des Einzelfalles festgesetzt. Bei Urheberrechts- und auch Marken- oder Wettbewerbsstreitigkeiten ist dieser gewöhnlich eher hoch anzusetzen.
Zu beachten ist, dass die Streitwertbegrenzung des § 97a III des Urheberrechtsgesetzes auf 1.000 Euro nur die Berechnung des Kostenerstattungsanspruchs für eine vorgerichtliche Vertretung regelt und für die gerichtliche Streitwertfestsetzung nicht von Belang ist.
Was muss eine Abmahnung enthalten?
Die notwendigen Angaben einer Abmahnung sind in § 97a II des Urheberrechtsgesetzes geregelt. Die Abmahnung hat demnach in klarer und verständlicher Weise
- Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,
- die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,
- geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und,
- sofern die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung eingefordert wird, anzugeben, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.
Es ist besonders ärgerlich, wenn ein Textdieb Geld mit kopierten Inhalten verdient. Macht es juristisch einen Unterschied, ob gestohlene Texte zu kommerziellen Zwecken genutzt oder „nur“ auf einem privaten Blog veröffentlicht werden?
Juristisch gesehen besteht kein Unterschied. Jeder, der fremde Werke nutzen möchte, muss den Urheber vorher um Erlaubnis fragen, und zwar auch dann, wenn der Text ausschließlich für private Zwecke genutzt werden soll. Allenfalls bei der Berechnung der Schadenshöhe und des Streitwertes kann die Unterscheidung relevant sein. Im Übrigen kann auch ein Blog oder eine eigene Website nicht mehr als privat betrachtet werden, sobald sich auf der Website Werbung befindet.
Susanne Sprotte studierte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ist seit 2004 als Anwältin in Leipzig tätig.
Sie hat sich auf die Schwerpunkte Wettbewerbs- und Medienrecht (insbesondere Urheber- und Markenrecht), Vertragsrecht, Allgemeines Zivilrecht, Familien- und Arbeitsrecht spezialisiert. Susanne Sprotte berät und vertritt Mandanten sowohl außergerichtlich als auch bei gerichtlichen Streitigkeiten.
Bitte beachten Sie: Im Rahmen dieses Interviews kann keine individuelle Rechtsberatung gewährleistet werden. Der Inhalt dieses Beitrags dient lediglich dem unverbindlichen Informationszweck und stellt keine Rechtsberatung dar. Eine individuelle und verbindliche Rechtsberatung, die auf Ihre spezifische Situation eingeht, kann und soll durch dieses Interview nicht ersetzt werden.
Auch können sich Änderungen in der Gesetzgebung oder Rechtsprechung ergeben: Daher verstehen sich alle angebotenen Informationen ohne Gewähr auf Aktualität und Vollständigkeit. Im Fall einer Verletzung Ihrer Rechte sollten Sie sich an einen Anwalt wenden, der sich ausführlich mit den konkreten Einzelheiten Ihres Falles befassen kann. Gleiches gilt, wenn Sie selbst eine Abmahnung erhalten.